Jährlich pilgern Tausende Menschen auf dem Jakobsweg, ich frage mich, was das Besondere an dieser Reise ist – und habe einen Pilger-Profi gefunden, der mir genau diese Frage beantworten kann.
„Ich bin dann mal weg“ – ein Satz, den viele von uns aus dem Buch oder dem gleichnamigen Film von Hape Kerkeling kennen. Er hat es gewagt und ist den 800 km langen Jakobsweg „Camino Fancés“ entlang gepilgert. Schon seit über 1000 Jahren pilgern Menschen zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela und es werden jährlich immer mehr. Man sieht: Pilgern liegt im Trend. Aber warum? Was ist das Besondere am Pilgern und warum soll dieser Weg das Leben verändern? Experte Christoph wird mir diese sowie viele weitere Fragen beantworten. Zusätzlich gibt er Pilgern und denen, die es werden wollen, auf seinem Blog wertvolle Tipps. Warum ihr euch auch auf den Weg machen solltet und was ihr alles über den Jakobsweg wissen müsst, verraten Christoph und ich euch jetzt.
Pilgern auf dem Jakobsweg
Der Jakobsweg | Die beste Pilgerzeit | Die Vorbereitung | Das nötige Budget | Die Ausrüstung
Alleine vs. Gruppen Pilgern | Was für Leute trifft man? | Pilgern liegt im Trend | Lust zu pilgern?
Woher verläuft der Jakobsweg eigentlich?
Bevor ihr euch auf den Weg macht, müsst ihr euch überlegen, welchen Weg ihr gerne laufen möchtet – DEN Jakobsweg gibt es nämlich gar nicht. Wenn ihr also morgen von eurer Haustür aus starten und bis in die spanische Stadt Santiago de Compostela wandern würdet, wäre das genau genommen auch ein Jakobsweg. Aber im Laufe der Jahre haben sich fünf sehr beliebte Wege durchgesetzt:
Der Camino Francés
- Verläuft in Spanien
- 800 km lang
- Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
- Der beliebteste Jakobsweg, 65% der Pilger gehen diesen Weg
Der Caminho Portuges
- Verläuft in Portugal
- 240 km lang
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Der zweitbeliebteste Pilgerweg, 16,4% wandern hier entlang, Tendenz steigend
Der Küstenweg / Camino del Norte
- Verläuft in Spanien
- 850 km lang
- Schwierigkeitsgrad: mittel bis schwer
- Aufgrund seiner Schwierigkeit pilgern jährlich nur 6% der Jakobswegpilger diesen Weg
Der Caminno Primitivo
- Verläuft in Spanien
- 300 km lang
- Schwierigkeitsgrad: schwer
- Diesen Weg wählen jährlich etwa 4,3% der Pilger
Via de la Plata
- Verläuft in Spanien
- 1000 km lang
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Für alle, die nicht so viel Trubel wollen – diesen Weg wählen jährlich nur 3,5% der Pilger
Nach seinem persönlichen Lieblingsweg gefragt, antwortet Blogger Christoph, der schon über einige Jakobswege gepilgert ist: „Ich habe mich damals für den nordspanischen Küstenweg (Camino del Norte) entschieden, weil ich das Meer liebe und keine Lust hatte, in Menschentrauben nach Santiago zu laufen. Der Camino Francés war mir zu voll.“
Welche Jahreszeit ist die beste zum Pilgern?
Erst einmal müsst ihr euch fragen, wann ihr Zeit habt, diese Reise anzutreten. Denn für den bekanntesten Jakobsweg, den Camino Frances, braucht ihr schon fast euren gesamten Jahresurlaub. Aber wann lässt es sich am besten pilgern? Je nach Jahreszeit sind die Pilgerwege stärker oder etwas schwächer besucht. Letztlich müsst ihr entscheiden, wann es euch zeitlich am besten passt und welches Wetter für euch das Beste ist. Von Dezember bis März ist es wirklich noch sehr kalt, diese Zeit ist nur etwas für Hartgesottene. Ein weiterer Nachteil ist, dass noch nicht alle Herbergen geöffnet haben.
Die angenehmste Zeit zum Wandern ist von April bis Mitte Juni, dann ist es noch nicht ganz so heiß in Spanien und die Pflanzen am Wegesrand werden wieder grün. Die Sommermonate Juli bis Mitte September sind besonders heiß, achtet vor allem in dieser Zeit darauf, eine Kopfbedeckung zu tragen und reichlich zu trinken. Da in vielen Ländern zu dieser Zeit Ferien sind, pilgern zudem sehr viele in diesen Monaten, was häufig zu ausgebuchten Herbergen führt. Mitte September bis Mitte November wird es dann wieder ruhiger und die Temperaturen sind zum Wandern recht angenehm.
Welche Vorbereitungen sind für den Jakobsweg zu treffen?
Bevor es mit dem Pilgern losgeht, stehen einige Vorbereitungen an. Christoph verrät uns, was man beachten sollte, wenn man ein echter Pilger werden möchte:
Sollte man Unterkünfte im Vorfeld buchen, da es vor allem auf dem Camino Frances zu Hochzeiten in den Herbergen sehr voll ist?
Nein, das würde ich persönlich vermeiden, höchstens für die erste Nacht. Andere mögen das anders sehen, für mich ist aber gerade diese Spontaneität und Freiheit, dass man noch nicht weiß, was am Abend kommt, so besonders auf dem Weg.
Wie viel Zeit sollte man beispielsweise für den 800 km langen Camino Frances einplanen und gibt es hilfreiche Tipps, wie viele Kilometer man pro Tag laufen sollte?
5 Wochen sollte man schon einplanen, das sind dann ca. 25 Kilometer +/- pro Tag. Ich empfehle aber eher 6 Wochen, dann kann man auch mal einen Tag irgendwo bleiben.
Was für ein Budget braucht man für eine Pilgerreise?
Eine wichtige Frage, wie viel kostet so eine Reise eigentlich? Wie viel Geld benötigt man ca. pro Tag?
Mit 25-30€ pro Tag kann man auf dem Jakobsweg gut leben. Je nach Anspruch und Luxus ist auch weniger oder mehr möglich. Übernachtungen in öffentlichen Herbergen kosten nur 5€. Pilgermenüs mit Getränken inklusive gibt es oft für 10€.
Christoph, wie klappt es mit der Verständigung in Spanien?
Ein wenig Spanisch hilft natürlich besonders, um Kontakte zu Einheimischen zu knüpfen. Doch auch ohne Spanisch kommt man auf dem Jakobsweg zurecht. Mit Englisch oder zur Not mit Zeichensprache oder mit der Hilfe anderer Pilger klappt die Verständigung im Notfall eigentlich immer.
Welche Ausrüstung ist zum Pilgern notwendig?
Auf eurer Pilgerreise benötigt ihr ganz ähnlich wie bei einem mehrtägigen Wandertrip eine gute Ausrüstung. In meinem Reisemagazin-Artikel zum Thema Wandern habe ich euch eine tolle Packliste zusammengestellt, auf der ihr alles Wichtige findet.
Was sollte auf gar keinen Fall auf der Pilgerreise fehlen, Christoph?
Es gibt schon einige Dinge, die man auf seiner Packliste haben sollte. Mit am wichtigsten ist der Pilgerausweis/Pilgerpass, denn ohne den kann man nicht in den Pilgerherbergen übernachten. Ganz nebenbei lautet die oberste Regel aber: So minimalistisch wie möglich packen.
Der Pilgerausweis ist ein sehr wichtiges Dokument für alle Pilger, denn, wie Christoph schon erwähnt hat, dürft ihr ohne ihn nicht in den Pilgerherbergen auf dem Jakobsweg übernachten. Mit diesem Ausweis gehört ihr also dazu und bekommt in jeder Unterkunft, in der ihr übernachtet, einen Stempel (auf Spanisch „Sello“) in euren Pilgerausweis. Passt also während eurer Reise gut auf diesen Ausweis auf und schützt ihn am besten mit einer wasserfesten Hülle vor Nässe. Die Stempel in dem Ausweis sind zudem auch eine tolle Erinnerung an eure Reise. Wenn ihr am Ziel in Santiago angekommen seid, erhaltet ihr mit eurem vollem Pilgerausweis die heiß begehrte Pilgerurkunde.
Wo bekommt man die Stempel für Pilgerausweis?
Die bekommt man in den Unterkünften, in denen man übernachtet. Aber auch in vielen Kirchen, Bars, Cafés und Touristeninformationen entlang des Weges wird dieses Dokument vergeben.
Alleine Pilgern oder lieber in der Gruppe?
Einige Pilger reisen allein, viele möchten einfach weg vom Alltagsstress und einfach mal abschalten. Das geht hervorragend beim Wandern. Wenn man allein wandert, hat man Zeit zum Nachdenken und findet nach einer anstrengenden Zeit wieder zu sich selbst. Doch es gibt auch kleine Gruppen, in denen man pilgern kann. Welche Variante für einen persönlich die beste ist, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Ich habe Christoph mal gefragt, was für ihn die beste Form ist, schließlich hat er schon einige Jakobswege hinter sich.
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt da kein richtig oder falsch, sondern ein: Was brauche ich gerade? Mir persönlich hat es damals sehr gut getan, erst einmal einige Zeit alleine unterwegs zu sein, um Zeit für mich zu haben. Heute genieße ich auch gute Gesellschaft beim Pilgern.
Pilgern liegt im Trend – aber warum?
Wandern ist schon lange im Trend, doch eine Reise auf dem Jakobsweg ist irgendwie doch etwas anderes. Dieser Weg verändert, bringt einen an seine Grenzen, gibt aber auch unglaublich viel Kraft. Das könnten mit die Gründe sein, warum jährlich immer mehr Menschen das Pilgern für sich entdecken.
Christoph, warum glaubst du, sind immer mehr Pilger unterwegs?
Die Menschen bekommen wieder Sehnsucht nach dem Einfachen, Ursprünglichen. Niemandem tut es auf Dauer gut, von so vielen Medien berieselt zu werden und sich so wenig aktiv in der Natur zu bewegen. Leider sieht unser Alltag aber oftmals so aus: Körperliche Arbeit steht im Ruf, weniger wert zu sein als Kopfarbeit. Dabei ist sie so wichtig für Körper und Gesundheit, wie ich immer wieder merke. Der Jakobsweg ist da echt eine Gegenbewegung.
Was für Leute trifft man auf dem Jakobsweg?
Wenn wir nach Nationalitäten gehen, trifft man erst einmal viele Spanier auf dem Jakobsweg, denn mit 46,6% belegen sie Platz 1 unter den Pilgern. Mit gerade mal 15,7% sind die Italiener auf Platz 2 und dann kommen wir auf Platz 3. Auf die Frage, welche Menschen Christoph auf dem Jakobsweg getroffen hat, antwortet er folgendes:
Menschen von jedem Alter und Schlag. Die erste Frage ist zum Glück nicht: Was arbeitest du? Sondern eher: Wo bist du heut gestartet, bis wo läufst du? Auf dem Jakobsweg ist jeder erst einmal gleich und jeder steckt in Wanderklamotten.
Was war dein schönstes Erlebnis auf deinen Reisen auf dem Jakobsweg, Christoph?
Die schönsten Momente sind die, wo du völlig ins Hier und Jetzt eintauchst und die Zeit vergisst.
Viele der deutschen Pilger haben sich inspirieren lassen von dem Buch oder dem Film „Ich bin dann mal weg“. Wie bist du auf die Idee gekommen, den Jakobsweg zu laufen?
Ich war damals in einer Sinnkrise und unzufrieden. Ich wollte was ändern und wusste: Ein langes Wochenende in der Heimat wandern reicht da nicht. Irgendwie habe ich dann vom Jakobsweg gehört. Eine Bekannte von mir kam zurück mit einem großen Strahlen im Gesicht. Da hat es mich gepackt.
Auf deinem Blog erzählst du, dass der Jakobsweg dein Leben verändert hat. Wie genau?
Das Laufen, das in der Natur sein, die tiefen Begegnungen mit anderen Menschen, das alles hat mir geholfen, mich weiterzuentwickeln, meinen Horizont zu erweitern, neue Visionen und Sinn zu finden und alte Ketten zu sprengen.
Was hat dich dazu gebracht, deine Erfahrung auf einem Blog zu teilen?
Ich habe das Bedürfnis, etwas zu teilen, was mich bewegt hat. Mein Blog ist vielleicht daher besonders, da er ein Gesicht hat und ich versuche, die Offenheit vom Pilgerweg auch beim Schreiben zu leben.
Ist Pilgern auch etwas für euch?
Und, kribbelt es jetzt auch bei euch im Bauch? Ich würde mir am liebsten gleich meinen eigenen Pilgerausweis bestellen und dann direkt los wandern und all diese tollen Erfahrungen machen, die der Pilgerexperte Christoph beschreibt. An dieser Stelle einen herzlichen Dank an Christoph, der mir viele Fragen beantwortet hat, die mir so auf der Seele gebrannt haben. Wenn ihr noch mehr über den Pilger und seine Reisen auf dem Jakobsweg erfahren wollt, schaut doch auf seinem Blog Jakobsweg-Küstenweg vorbei, hier findet ihr viele Tipps und Tricks aus erster Hand.
„Mit 25-30€ pro Tag kann man auf dem Jakobsweg gut leben.“
Das war vor ein paar Jahren vllt so. Bei meinem ersten Weg 2008 haben 30€ locker gereicht. Heutzutage ist das Budget schon sehr knapp bemessen. Ich bin den Camino Frances im April dieses Jahr erneut gegangen und würde sagen, dass 40€ das Minimum sind. Die meisten Herbergen kosten inzwischen 15€ pro Nacht ststt 5-7. Selbst die Municipals kosten inzwischen 8€. Hinzu kommt, dass sich die Infrastruktur verändert hat. Wo es früher eine Herberge mit Kochgelegenheit, einen kleinen Laden und ein Restaurant/Bar gab, gibt es heute 2 Herbergen und ein Restaurant mit Pilgermenü für 15€. Frühstücken will man ja auch und braucht dafür 5-7€. Wenn man dann noch ab und zu einen Kaffee oder ungechlortes Wasser möchte, ist man problemlos bei 40€ Tagessatz.
Hallo Anja,
i ch werde in diesem Jahr 80 Jahre alt, und habe
immer noch Lust zum pilgern und Wandern.
Du darf dir nicht so viele Gedanken machen.
In Pamplona, kam eine Pilgerin an, sie hat eine
Nacht ausgeruht und wieder nach Hause gefahren.
Such dir eine Freundin, und dann geht’s los.
Mit freundlichen Pilgergruss, Hans Peter Angrick.
Ich kämpfe mit mir, habe versucht den Weg 2020 zu gehen und bin schon bei der Anreise von Leipzig bis Bayonne an meine Grenzen gestoßen und fuhr dann am nächsten Tag wieder zurück. Anstatt stolz zu sein es schon so weit gebracht zu haben, hab ich mich selbst nieder gemacht und mir alles schlecht geredet. War noch nie im Ausland, nie im Urlaub und dann gleich so ein Abenteuer….Ich möchte den Weg unbedingt gehen, seit nun gut 2 Jahren lässt mich der Wunsch nicht los, aber die Angst das ganze finanziell nicht meistern zu können zum Schluss in Santiago zu stehen und nicht mehr heim zu kommen oder wieder komplett zu versagen wie beim ersten mal, ist irgendwie zu groß.
Liebe Anja. Na und? Du hast doch den ersten Schritt gemacht! Das ist der schwerste! Und darauf musst und kannst Du stolz sein, viele andere schaffen nicht mal das! Nun kennst Du ja schon den Weg bis Bayonne, also keine Ueberraschung mehr. Geh wieder auf den Jakobsweg und geh von Bayonne wieder etwas weiter. Es wird immer einfacher: auf dem Camino Francés kannst Du Dich problemlos anderen Pilgern „anhängen“, wenn Du nicht alleine gehen willst oder Zweifel hast, ob Du den Weg findest. (Der Weg ist übrigens super gut markiert, man schafft ihn auch ohne Karten.) Lass Dich einfach mittragen. Und geniesse es! Und zum Finanziellen: sooo teuer ist der Jakobsweg nun auch nicht, wenn Du zB in den Pilgerherbergen übernachtest, von denen es genügend gibt, und selber oder mit anderen Pilgern zusammen kochst. Zuhause müsstest Du ja auch essen! Und Du kommst ganz sicher auch wieder gut nach Hause, vollbepackt mit Erinnerungen, die Dich Dein Leben lang begleiten werden. Geh!
Habe alles mit grossem Interesse gelesen. Habe überlegt, nachdem mein Mann verstorben ist den Jakobsweg zu gehen, vielleicht finde ich dort meinen
Inneren Frieden wieder.
Ich empfehle Dir den Jakobsweg ohne jegliche Vorbehalte. Es wird Dir gefallen auf dem Weg, und Du wirst Dich glücklich fühlen. Zeitweise beansprucht Dich der Weg derart, dass Du kaum an Anderes denken kannst, dann wieder führt er Dich über Felder und durch Wälder, wo Du Deinen Gedanken freien Lauf lassen kannst. Du wirst es geniessen, Dich für eine Strecke des Weges anderen „Pilgern“ anzuschliessen, aber Du kannst auch mutterseelenallein wandern, wenn Dir mal mehr danach ist. Die Möglichkeit, in von Freiwilligen geführten Herbergen zu übernachten, macht den Weg auch finanziell gut machbar. Also: worauf wartest Du noch? Geh!
PS. Ich weiss wovon ich schreibe. Ich bin den Weg 2010 von Luzern bis Santiago de Compostela gegangen. Was Besseres ist mir im Leben nicht passiert!
Die Variante . PILGERN MIT DEM FAHRRAD – ist hier nicht erwähnt. Vieleicht habe ich es auch nur übersehen. Selbst war ich 2007 von meinem Heimatort im Spessart nach SdC geradelt (ca. 3000 km). Auch die Rückfahrt auf einer anderen Route war eine sehr interessante Erfahrung. Meine Reisezeit betrug insgesamt 2 Monate.
Danke für das Verfassen dieses interessanten Artikels über Pilgern. Ich habe wieder Lust aufs Pilgern auf dem Jakobsweg bekommen. Macht weiter so und informiert die Menschen über die besten Wanderwege Europas.