Der Karni-Mata Tempel, besser bekannt als Rattentempel, ist eine Touristenattraktion für die ganz Mutigen unter euch. Denn hier leben an die 20.000 Ratten – heilige Tiere selbstverständlich. Wer sich traut und empfehlenswerterweise den richtigen Impfschutz mitbringt, lernt hier Indien von der tierischen Seite kennen.
Viele von euch müssen jetzt wahrscheinlich ganz stark sein. Während die einen liebe Tierfreunde sind, andere den religiösen Hintergrund ehren und so manche vermutlich nicht einmal mit allen Desinfektionsflaschen der Welt diesen Ort betreten würden, ist der Karni-Mata Tempel für die Einheimischen etwas ganz Besonderes. Auch ich habe mich getraut und nehme euch mit auf die Reise in den Rattentempel. Aber Achtung – Gänsehaut-Gefahr!
Der Karni-Mata Rattentempel in Indien
Überblick | Hinduismus | Was tut man als Tourist?
Der Rattentempel als Pilgerstätte
Den Rattentempel findet ihr ca. 30 km südlich der Stadt Bikaner in dem kleinen Dorf Deshnok, welcher eigentlich Karni-Mata-Tempel heißt. Dieser Ort gilt als eine Pilgerstätte für viele Inder, da die haarigen Bewohner als heilig gelten. Der Tempel ist Heimat für geschätzte 20.000 Ratten, die gepflegt, gefüttert und geehrt werden. Schöner kann ein Rattenleben wohl kaum sein. Einheimische kommen hierher, um den Vierbeinern Milch und Futter zu geben, trinken gemeinsam mit ihnen aus einer Schale und sitzen stundenlang in manchen Ecken, um eine der seltenen weißen Nager zu Gesicht zu bekommen, denn das bringt besonders viel Glück. Auch, wenn euch eine kleine braune Ratte über die Füße läuft, bedeutet das nur Gutes. Also Augen zu und durch, denn diese Tiere sind keineswegs scheu, da kann es also schon mal passieren, dass einem eine kleine Gottheit entgegen springt.
Der Religiöse Hintergrund
Der hinduistische Tempel Karni-Mata ist der Reinkarnation, also der Wiedergeburt der Göttin Durga, gewidmet. Karni-Mata selbst hingegen war eine Heilige, die der Legende nach geschworen hat, dass alle als Ratten wiedergeboren werden, nachdem ihr der Gott Yama die Seele eines verstorbenen Kindes verweigerte, weil dieses bereits eine Reinkarnation durchlebte.
So glauben die Einheimischen also, dass all diese Ratten des Tempels wiedergeborene Mitmenschen sind, die es mit Speisen und Ehre zu würdigen gilt. Der Rattentempel ist ungefähr 600 Jahre alt und an sich ein wunderschönes Gebäude. Die Eingangstür ist silber verziert, überall findet man Statuen der heiligen Tiere und kunstvolle Verzierungen schmücken Mauern, Türen und Fenster. Passiert es, dass man versehentlich einen Vierbeiner tötet, muss man diesen eigenhändig vor dem Tempel vergraben und dem Tempel eine silberne oder goldene Rattenfigur spenden. Des Weiteren gelten nur die Tiere im Inneren der Mauern als heilig. Alles, was außerhalb kreucht und fleucht, wird als Schädling angesehen. Obwohl im Rattentempel Mensch und Tier sowohl Essen (alles, was der Nager vorher schon zwischen seinen Zähnen hatte, gilt als Heilmittel) als auch Milch und Wasser aus einer Schüssel teilen und auf engstem Raum miteinander leben, gibt es hier keine Seuchen oder Krankheiten. Ob diese Lebensweise auch für Touristen so gut verträglich ist, solltet ihr lieber nicht ausprobieren.
Mittendrin im Gewusel
Dass dieser Tempel nichts für permanente Händewascher, Knopfdrücker-Vermeider und Hygienefreaks ist, bleibt wohl kein Geheimnis. Eigentlich – so verlangt es die Tradition – zieht man beim Betreten des Tempels die Schuhe aus. Für Touristen macht man aber eine Ausnahme: Sie dürfen ihre Socken anbehalten. Traut ihr euch also wirklich in die Mauern, in denen die Ratten herrschen (und auch ihre Notdurft verrichten), dann empfehle ich euch ein zweites Paar Socken mitzunehmen.
Der Tradition nach muss man im Tempel die Schuhe ausziehen.
Denn ich bin mir nicht sicher, ob selbst die beste Waschmaschine dieser Welt eure Socken danach wieder sauber bekommt. Direkt zur heiligen Stelle darf man als Tourist nicht, dies ist nur den Hindi erlaubt. Als Fremder darf man aber durch die äußeren Gänge gehen und auch fotografieren, wobei man dies aber mit Respekt machen sollte, denn einmal dort angekommen, bemerkt man sofort die andächtige Stimmung der Menschen, die aus religiösen Gründen hier sind. Viele versuchen im Rattentempel einen Schicksalsschlag zu bewältigen, beten, um aus einer Notlage zu entkommen oder erhoffen sich ein besseres Leben. Dieser eigentliche Grund der heiligen Stätte sollte respektvoll im Mittelpunkt stehen.
Vielleicht ist das Gewusel der kleinen Nager doch nicht so schlimm? Oder haben da hauptsächlich Inder bewertet? Das müsst ihr wohl selber herausfinden und dem Rattentempel persönlich einen Besuch abstatten – wer traut sich?
Lust auf Indien?